Chronik eines Sabbatjahres

Bei den Schafen...Hobbits, Maori und Kiwis am anderen Ende der Welt

(9.- 24. November 2010) 

Nachdem ich eine politische Idee in die Tat umgesetzt und mir den Wunsch nach intensivem Naturerleben erfüllt hatte, wurde es Zeit für einen Traumurlaub. Mitte November draußen in warmem Wasser herumplanschen, Schafen an der Pazifikküste beim Fressen zusehen- das klingt doch vielversprechend! Wenn auch nicht gerade nach spannenden Abenteuern, über die es sich hier zu berichten lohnte ... Tatsächlich verbrachte ich mit der Frau an meiner Seite ein paar sehr schöne und ziemlich unaufgeregte Tage in Neuseeland.

Allerdings gab es dort neben den wolligen Grasfressern einige weitere landestypische Besonderheiten, die durchaus der Rede wert sind. Dieser Bericht handelt also weitgehend von Hobbits und anderen Wesen Neuseelands, und aus seinen Zeilen kann ein Leser viel über den Charakter und ein wenig über die Geschichte des Landes erfahren.

Zunächst ein kurzer Blick auf die Karte, wo die Reise überhaupt langging. Sie startete ganz im Süden der Nordinsel bei Wellington, und führte über Wanganui nach New Plymouth. Während des dreitägigen Aufenthalts hatten wir Gelegenheit, den Nationalpark um den Taranaki- Vulkan zu besuchen. Über den Forgotten World Highway fuhren wir dann von Stratford aus Richtung Nordosten, die nächste Station hieß Waitomo, wo wir wohnten wie die Hobbits. Es folgte ein fünftägiger Farmaufenthalt mit intensivem Schafserleben in der Gegend bei Roturua. Weiter ging es nach Norden auf die mit Stränden gesegnete Coromandel Halbinsel in ein Resort bei Pauanui; von dort führte unser Weg schließlich nach Auckland und somit zum Abflughafen.  

 

   

In Wellington

 

Mount Taranaki

Als Reisevehikel diente uns ein weißer Nissan Sunny, der tapfer alle Strapazen (wie kilometerlange Schotterstraßen und wilde Serpentinenfahrten) ertrug. Das Klima war frühsommerlich mild, oft schien die Sonne bereits kräftig vom Himmel. Nur hier und da fielen ein paar Tropfen Regen. Der Entdeckung der charakteristischen Elemente des Inselstaates stand also nichts im Wege. 

 

   

Unterwegs auf dem Forgotten World Highway

 

Gesehen in Auckland

 

 

Auf der Coromandel

 

Halbinsel

 Da wären z.B. die...

Kiwis

Bei dem Stichwort "Neuseeland" dürfte den meisten Menschen neben Schafen der Kiwi in den Sinn kommen. Schließlich gilt dieser Schnepfenvogel als Wappentier des Landes. Denkt man allerdings an andere Tiere mit Nationalsymbolcharakter (Adler, Löwen, Elefanten...), so erscheint es ein wenig merkwürdig, dass ausgerechnet ein plumper, halbblinder und flugunfähiger Nachtvogel, der mit seinem langen Schnabel den Untergrund unermüdlich nach Essbarem durchstochert, eine solche Bedeutung erhalten hat.

Was ja grundsätzlich  nicht unsympathisch ist. Außerdem besitzt Australien die Wappentiere Emu und Känguruh, und das ist auch nicht ehrfurchts- gebietender (Das australische Militär behauptet allerdings, die Wahl hinge damit zusammen, dass beide Tiere niemals, unter keinen Umständen, rückwärts gehen würden... erinnert ein wenig an Erich Honeckers fatale Parole "Vorwärts immer, rückwärts nimmer"...).

Wie dem auch sei, tatsächlich begegnet man dem Kiwi in Neuseeland auf Schritt und Tritt. Ob als Abbildung auf der Eindollarmünze oder als überdimensionierte Skulptur, 

                     

       ausgestopft im Schaukasten                        oder als lustigbunte Plüschtiere,

In Otorohanga   Im Kinderparadies

 

sie sind einfach überall! Dazu kommen die Auslagen mit dem bekannten Obst, das seinen Namen  allerdings noch gar nicht so lange trägt. Die Stammform dieser Früchte gehört zu den Strahlengriffelgewächsen (Actinidiae) - und ist in Ostasien zuhause. Erst ab 1959 wurden die braunen Vitamin C- Bomben aus Marketinggründen nach dem berühmten Vogel benannt. So sollte jeder in Europa denken, es handle sich um ein genuin neuseeländisches Produkt ("Kiwi" klingt auch einfach besser als "Chinesische Stachelbeere").

 

Actinidia deliciosa

Noch mehr Kiwis

 

Die Bewohner Neuseelands bezeichnen sich ebenfalls als "Kiwis". Ein Phänomen, das seine Ursprünge offenbar in der Zeit des Ersten Weltkriegs hat. Die neuseeländischen Soldaten benutzten häufiger eine Creme der Marke "Kiwi" als Stiefelwichse... und hatten so bald ihren Spitznamen weg (Pikanterweise handelte es sich dabei um ein australisches Produkt - und  Australier und Neuseeländer haben sich ähnlich lieb wie Holländer und Deutsche).

Kiwis begegneten mir also in den verschiedensten Formen - doch wie sah es mit dem lebendigen Original aus? Als frischgebackener Field Guide hatte ich mir natürlich direkt zu Beginn der Reise in Wellington ein Vogelbeobachtungsbuch gekauft. Dort konnte ich nachlesen, dass es mehrere Kiwiarten gibt (gestreifte, gefleckte und zwergenartige) und auch, dass diese Vögel prinzipiell überall in Neuseeland leben. 

Dummerweise sind sie aber nachtaktiv, sehr scheu und ziemlich gut getarnt. Außerdem setzen ihnen die sich ausbreitende Besiedlung und eingeschleppte Eierräuber wie Wiesel oder Fuchskusus ziemlich zu. So stieß ich unterwegs zwar immer wieder auf Hinweisschilder, die die Existenz des Wappenvogels in den jeweiligen Gebieten behaupteten (z.B. am Mount Taranaki oder auf der Coromandel Halbinsel), zu Gesicht bekam ich aber kein einziges Exemplar. Das war schon ein bisschen enttäuschend... 

Glücklicherweise gibt es in Otorohanga bei Waitomo einen sehr empfehlenswerten Native Bird Park. Dort konnte ich in einem Nachthaus zwei leibhaftige Kiwis längere Zeit beobachten. Ein seltsamer, urtümlicher, mit nichts vergleichbarer Vogel -

 

  es gibt ihn wirklich!

 

Maori

Vor der Besiedlung Neuseelands mit europäischstämmigen Kiwis, Schafen und Hobbits lebten dort bereits die Maori. Dabei handelt es sich um Angehörige eines Volkes, das sich das Land ab dem 10. Jahrhundert n. Chr. von äquatornäher gelegenen Südseeinseln aus (Fidschis, Hawai) untertan machte. Mit den späteren Siedlern haben sich die Maori im Laufe der Zeit bemerkenswert gut arrangiert - was nicht heißen soll, dass es keine interkulturellen Probleme gab oder gibt.

Auffallend ist auf jeden Fall, dass viele Namen existieren, die ihren Ursprung in der Maori- Sprache haben (Anders als in Australien, wo die Ureinwohner für die originale Benennung der allerwichtigsten Orte lange kämpfen müssen - Beispiel: Ayers Rock, heutzutage Uluru). Es gibt Ortsnamen wie Wanganui, Taranaki, Roturua oder Whangamomona; landestypische Vögel heißen Kaka, Kakapo, Pukeko, Kea oder Kiwi.

   

Ein Pukeko

 

Kea

Das bekannteste Beispiel für das Weiterleben eines Stückes Maori-Kultur dürfte wohl der Haka sein. Ursprünglich ein Kriegstanz zur Einschüchterung der Gegner, wird dieses martialische Schauspiel heutzutage bei sportlichen Ereignissen (z.B. beim Antritt des neuseeländischen Rugby- Teams, der All Blacks) oder bei Staatsempfängen zum Besten gegeben (Ein schönes Beispiel für letzteres gibt es hier, leider in schlechter Bildqualität).

Haka

Bei der Besiedlung mussten sich die Maori mit den Besonderheiten des Landes arrangieren. Da ist zum einen der ausgeprägte Vulkanismus mit Begleiterscheinungen wie Erdbeben oder Gaseruptionen zu nennen, zum anderen das wesentlich kältere Klima. Was die heißen Erdaktivitäten angeht, damit waren die Südseebewohner sicherlich vertraut. Schließlich gehört Neuseeland genau wie Tonga, Neu- Guinea und viele andere Südseeinseln zum "Ring of Fire" (hat nix mit Johnny Cash zu tun), einem riesigen Gebiet, das durch Zusammenstöße verschiedener Erdplatten häufig vulkanisch erschüttert wird. So ist es wenig erstaunlich, dass eine Maorisage erzählt, ein früher Vorfahre hätte Feuerdämonen aus seiner Südsee-Heimat zu dem neuen Siedlungsort herbeigerufen.       

 

Eine Fontäne mit heißem Wasser

 

 Kochender Schlamm

Ungewohnter war für die ersten Besiedler sicherlich das Klima, das aufgrund der südlichen Lage nicht mehr tropisch geprägt ist. Da hieß es sich warm anziehen- und auch die Behausungen mussten angepasst werden. Röcke und Mäntel wurden angefertigt (teilweise aus Kiwifedern oder Hundehaut...); die typischen, luftig gebauten Südseehäuser erhielten geschlossene Zwischenwände und kleine Fenster.
Überbleibsel der kulturellen Entwicklungen konnten wir an verschiedenen Stellen des Landes bewundern, z.B. im Te Papa Tongarewa Museum von Wellington (sehr beeindruckend, sympathische Aufführungen, viel Spaß für wenig Geld), oder aber in Whakarewarewa Thermal Village bei Rotorua (sehr touristisch, uninspirierte Darbietungen, wenig Spaß für ziemlich viel Geld!).

Te Papa Tongarewa Museum   Te Papa Tongarewa Museum

Am "Ort der Schätze dieses Landes"

 

Männer in Baströckchen

 

Whakarwarena Thermal Village

"Begrüßungsritual" mit Tourist

Nicht vergessen werden sollte, dass bei der Entwicklung der neuseeländischen Maorikultur die landestypische Flora eine große Rolle spielte. Gewaltige Kauribäume ermöglichten den Bau von über 40 m langen Kriegskanus. Strukturen besonders auffälliger Pflanzen wurden in Schnitzereien übernommen, oder tauchten in Tätowierungen wieder auf.

 

Agathis australis

Ein gewaltiger Kauribaum

Am bedeutensten sind sicherlich die verschiedenen Farnarten. Die Gewächse sind so weit verbreitet, dass die Bewohner Neuseelands früher auch "Farnländer" genannt wurden (bevor sie zu "Kiwis" wurden). Und so ist es kein Wunder, dass gerade diese Pflanzen mit ihren Formen die Kunst in besonderem Maße geprägt haben - und prägen.

Cyathea    Gesehen in Auckland

 

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Mit 40... hat man noch Träume | klio@nexgo.de