Chronik eines Sabbatjahres

Hobbits

 

1999- 2003 verfilmte der Neuseeländer Peter Jackson in seinem Heimatland die "Herr der Ringe"- Trilogie, ein Fantasy- Abenteuer, bei dem  Hobbits, mittelgroße Wesen mit pelzigen Füßen und spitzen Ohren, im Mittelpunkt der Handlung stehen. Der Erfolg des Kinospektakels führte an den Drehorten zu einem wahren Tourismusboom. Kein Wunder, dass die Einheimischen in diesem Jahr auf die Straße gingen, als der Regisseur damit drohte, die nun anstehende Produktion des "Hobbit" (eigentlich die Vorgeschichte vom "Herr der Ringe") wegen gewerkschaftlicher Forderungen nach Osteuropa zu verlegen. Zum Zeitpunkt unserer Reise waren die Zeitungen voll mit Berichten darüber, das Hobbit-Thema hat auf den Inseln offenbar eine hohe politische Bedeutung. Die Frage nach dem Drehort hat sich allerdings mittlerweile zur Zufriedenheit der Neuseeländer geklärt.

Die Handlung der Hobbit-Geschichten spielt in Mittelerde, an Plätzen "voller Phantasie, Drama und Schönheit", um es einmal mit den Worten Peter Jacksons zu sagen. Eine ziemlich passende Beschreibung für die wirklich spektakuläre Landschaft Neuseeland, wie ich meine. 

 

Phantasie: Egmont Nationalpark

  

   

Drama: Taranaki Vulkan

 

Schönheit: Grüner See bei Roturua

Auch wenn mich die "Herr der Ringe"- Erzählungen sehr beeinduckt haben (Vor allem im Tolkienschen Original mit seinen Gedichten, siehe Fundstücke), pilgerten wir auf unserer Reise nicht zu Drehorten der Verfilmung. Anstelle dessen bezogen wir für zwei Nächte eine ausgesprochen originelle Unterkunft: den detailgetreuen -und bewohnbaren- Nachbau von Frodos Hütte im Auenland (Für alle Herr-der-Ringe- Nichtkenner: Frodo ist der Held der Trilogie, sozusagen ein Hobbit mit besonderem Schicksal). Einfach fantastisch! 

   

"In einem Loch im Boden, da lebte ein Hobbit"

 

"Es war ein Hobbitloch, und das bedeutet Komfort"

Die Hobbit-Hütte stand mit weiteren ungewöhnlichen Unterkünften in Woodlyn Park, einem Gelände bei Waitomo. Man hätte dort auch in einem alten Kriegsflugzeug, einem Patrouillenboot aus dem Zweiten Weltkrieg oder einem ausrangierten Eisenbahnwaggon nächtigen können. Ermöglicht wurde dies alles durch Billy Black, seines Zeichens ehemaliger Schafscherer, der es sich zur Angewohnheit gemacht hat, seine Visionen in die Tat umzusetzen. Ein ungewöhnlicher Mann, vor dessem Gestaltungswillen man nur den Hut ziehen kann. Gäbe es doch mehr solcher Menschen...

   

Billy Black...

 

und seine Kiwi

 

Culture Show

Jeden Tag erläuterte er in einer kleinen Scheune auf sehr unterhaltsame Art das Leben der ersten weißen Siedler. In dieser "Kiwi Culture Show" wurden Bäume zersägt, eine Sprengung simuliert und die besonderen Eigenschaften verschiedenster Farmtiere demonstriert. Auch Schafe wurden live geschoren - was eine gelungene Einstimmung auf den Höhepunkt unserer Reise war: Den Aufenthalt auf einer neuseeländischen Schaffarm.

 

        Bei den Schafen 

 

Vor dem Schaf-Erlebnis konnten wir allerdings noch einer Schur besonderer Art beiwohnen. In Waitomo entdeckten wir ein kleines Häuschen, in dem die Betreiber der Aufschrift nach jeden Tag zeigten, wie Angorahasen ihrer Wolle entledigt werden. Das wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen - und wurden Zeugen eines ungewöhnlichen Schauspiels.

Um Angorahasen zu scheren, werden diese mit allen vier Pfötchen auf einer Art Streckbank festgespannt. Die Apparatur - und somit der Hase - ist um ihre Längsachse drehbar, so dass der Mümmler rundum mit einem Rasiergerät bearbeitet werden kann. Das ganze mutet  etwas befremdlich an - es wurde uns aber versichert, dass das plüschige Tierchen dies gut verkrafte, und würde es nicht alle drei Monate geschoren, so müsste es aufgrund seiner üppigen Behaarung an Überhitzung sterben...Nun ja, zumindest kann ich sagen, dass der Wolllieferant hinterher ganz fiedel durchs Zimmer hoppelte - viel ausgemacht hat ihm die Prozedur offenbar nicht (Nach seelischen Schäden konnte ich ja schlecht fragen).

       

 

Am 16. November erreichten wir schließlich unsere kleine Farm in Waikite Valley. Um es direkt zu sagen: Der Aufenthalt dort übertraf all unsere Erwartungen. Nicht nur, dass wir von unseren Gasteltern Conrad und Mary ausgesprochen herzlich empfangen und bestens versorgt wurden, das Farmhaus auf einem Hügel mit herrlichem Rundumblick lag und in direkter Nähe ein paar Thermalquellen auf einen Besuch warteten- wir durften auch von Anfang an bei so ziemlich allen Farmaktivitäten teilnehmen und selbst Hand anlegen. Ein Traum! Und es war Spätfrühling, was die Begegnung mit sehr vielen sehr kleinen Tieren versprach...

   

Schöne Aussichten

 

Cowgirl

Wir konnten also beim Füttern und Wiegen helfen, fuhren Quad und rührten Milch an, wurden in die Bedienung der Melkmaschine eingeweiht und halfen beim Viehtreiben. Und zwischendurch war immer ein wenig Zeit, eins der Tierkinder auf den Arm zu nehmen und zu füttern.

   

Ein Lämmchen namens Penelope

 

Glücks- Schweinchen

Just zum Zeitpunkt unseres Aufenthalts sollten auch die Schafe geschoren werden (Natürlich ohne drehbare Streckbank). Was zwei anstrengende, aber auch aufregende Vormittage bedeutete. Am Ende waren wir ziemlich erschöpft und voller Schafsdreck - aber glücklich.

       

 

Die Tage endeten mit ausgesprochen leckeren (und reichhaltigen) Mahlzeiten, ergänzt von einer sehr amüsanten und interessanten Abendunterhaltung. Zufälligerweise war unser Gastvater Conrad ebenfalls Lehrer und wusste einiges zu erzählen... Er hatte offenbar großes Vergnügen daran, seinen Gästen einige Besonderheiten der Umgebung zu zeigen. Das führte u.a. zu einer nächtlichen Fuchskusu- Exkursion mit Taschenlampen. Die aus Australien stammenden Beuteltiere wirken ja ganz possierlich, haben sich aber in Neuseeland wegen ihrer Eierdieberei zu einer echten Plage entwickelt. Weswegen solche von Farmern durchgeführten Fuchskusu-Streifzüge normalerweise eher dramatisch enden. Hier habe ich allerdings nur ein Foto geschossen. 

 

 

 

Zwischendurch blieb uns auch noch genug Zeit, auf eigene Faust die Gegend zu erkunden - und uns bei einem Bad in einer der heißen Quellen von den Anstrengungen der Farmarbeit zu erholen. 

   

Palmen im Wasserdampf

 

Erholung bei 40°

Ja, es war ein Traumurlaub, bei dem es an nichts fehlte. Der Satz "Jeder Tag draußen ist ein Geschenk" hat sich wieder mal bewahrheitet. Wenn man in der Natur mit Pflanzen und Tieren lebt, braucht es nicht viel mehr, um glücklich zu sein. Mit dieser Erkenntnis und dem Dank an all die freundlichen und hilfsbereiten Neuseeländer, die uns auf unserer Reise begegnet sind, möge der Bericht über Schafe, Hobbits, Maori und Kiwis enden.

Am Forgotten World Highway

 

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Mit 40... hat man noch Träume | klio@nexgo.de