Chronik eines Sabbatjahres

Ins Ewige Eis- mit dem Segelschiff zur antarktischen Halbinsel

(14.Januar - 4.Februar 2011)

13.1., Feuerland: Ushuaia - endlich! Vor der mächtigen Gebirgskulisse der südlichen Anden öffnet sich einladend die tiefgrüne Bucht. Immer deutlicher zeichnen sich Häuser und Straßen unter mir ab. Und da ist ja auch schon die Landebahn des kleinen Flughafens! Jetzt nur noch unbeschadet aufsetzen, auschecken und ein Taxi in die Stadt kriegen. Dann habe ich es geschafft, und ich bin in der südlichsten Stadt der Erde angekommen. Oder besser gesagt: Am Ende der Welt. An dem Ort, von dem aus meine Segelexpedition in die Antarktis starten sollte.

   

Landung am Ende der Welt

 

Ushuaia - city that never sleeps

Die rechtzeitige Ankunft wurde zwei Tage zuvor plötzlich in Frage gestellt. Nach einer sehr inspirierenden Zeit in Buenos Aires und dem Besuch des gewaltigen Perito-Moreno- Gletschers in Patagonien stand ein Abstecher in den chilenischen Touristenort Puerto Natales auf dem Reiseprogramm. Nichtsahnend geriet ich dort in einen Generalstreik; die ganze Stadt wurde von einem Tag auf den anderen verbarrikadiert. Busse, Taxis, Bahnen, Schiffe- nichts ging mehr. Und das für unbestimmte Dauer, ein Ende der Blockade war nicht abzusehen. Wie sollte ich nun wieder zurück nach Argentinien kommen und von dort aus rechtzeitig den Flieger nach Ushuaia kriegen? Einige Anrufe bei der Reiseagentur und deren südamerikanischen Partnern brachten zunächst keine Lösung. Schließlich zeichnete sich die einzige Möglichkeit ab: Ich musste zu Fuß zurück nach Argentinien laufen, dabei irgendwie durch die Barrikaden kommen, ohne hilfreichen Begleiter (jeder, der mir dabei hätte helfen wollen, hätte als Streikbrecher Probleme bekommen), nur mit marginalen Spanischkenntnissen ausgestattet, dafür aber mit dem kompletten Gepäck für eine Antarktisexpedition. Nach 25 km hätte mich immerhin jemand an der argentinisch-chilenischen Grenze abholen können.

Mit etwas mulmigen Gefühlen machte ich mich auf den Weg und erreichte nach 6 km die ersten Blockaden. Tatsächlich ließ man mich dort unbehelligt durch- und dann war mir Fortuna in Gestalt eines bärtigen Busfahrers hold! Auf der anderen Seite wendete gerade ein argentinischer Transitbus, nachdem er mitten in der Pampa einen Schwung Touristen in ihr ungewisses Schicksal entlassen hatte. Irgendwie gelang es mir, den Fahrer mit Händen und Füßen zu überzeugen, mich über die Grenze nach Argentinien mitzunehmen. Und so reiste ich alleine in einem riesigen Bus zurück nach El Calafate, wo ich anderntags sehr entspannt meinen Flug nach Tierra del Fuego (Feuerland) nehmen konnte.

Nach der Ankunft am Flughafen finde ich schnell ein Taxi, das mich überraschend günstig zu meiner Unterkunft bringt, ein einfaches Hostel mitten in der Stadt. Dort bin ich offensichtlich nicht der einzige Gast, zufälligerweise übernachtet hier auch ein Teil der Mannschaft jenes Schiffes, das ich anderntags besteigen sollte. Sehr gesprächig sind die Besatzungsmitglieder nicht, die Anstrengungen der letzten Fahrt stehen ihnen deutlich ins Gesicht geschrieben. Offenbar ist die Rückfahrt durch die Drakepassage ziemlich stürmisch gewesen... Aber Javier, der Hostelier, beruhigt mich, schließlich werde ich mit Käpt´n Klaas, der aussehe wie Meeresgott Neptun persönlich, in See stechen. Das ist in Anbetracht von möglicher Windstärke 9 natürlich sehr tröstlich.

Nachdem ich mich in einem gemütlichen kleinen Bistro um die Ecke ein wenig gestärkt habe (Wer weiß, wann ich wieder in der Lage bin, was Vernünftiges zu essen?), lerne ich am Abend einen weiteren Mitpassagier kennen. Nett! Wenn alle so gut drauf sind, verspricht das eine kurzweilige Reise zu werden.

 

14.1., Ushuaia: Bereits um 4.30 Uhr werde ich durch undefinierbaren Lärm geweckt, und erkenne zu meinem Erstaunen bei einem Blick aus dem Fenster, dass es am "Ende der Welt" um diese Zeit  bemerkenswert hell ist. Klar, es ist ja Hochsommer und ich befinde mich schon ziemlich weit im Süden. Noch ein paar Stunden unruhiger Schlummer, und dann heißt es Sachen packen und abschließende Vorbereitungen treffen. Nach dem Frühstück eine letzte Sitzung im Internetcafe und ein wenig Stadterkundung. Der Versuch, ein vernünftiges englischsprachiges Bestimmungsbuch für die antarktische Tierwelt zu erstehen, schlägt kläglich fehl; ich finde lediglich ein recht dünnes Büchlein, das mein Informationsbedürfnis kaum befriedigen kann.- Die Stadt ist recht übersichtlich, viele Touristen-Läden, und natürlich das obligatorische Falklandkrieg-Denkmal. Im Hafen gelingt es mir einen näheren Blick auf mein künftiges schwimmendes Zuhause zu werfen. Ziemlich beeindruckend, dieser Dreimaster namens Europa, mit nackter Schönheit und Stier am Bug, was den Historiker in mir natürlich erfreut. 

   

Mein Zuhause für die nächsten drei Wochen

 

 Alles wird gut.. 

Um 17.00 Uhr ist es dann so weit, es heißt Einchecken, und ich lerne die anderen Passagiere und die gesamte Mannschaft kennen. Ziemlich viele Holländer (20 von 39 Passagieren, wie ich später zähle), was kein Zufall ist, schließlich handelt es sich bei der Bark Europa um ein niederländisches Schiff. Außerdem neun Deutsche, sechs US- Amerikaner, zwei Spanier, ein Kanadier und eine Britin (sorry: Schottin). Hinzu kommen 15 Mann und Frau von der Besatzung. Die Schlafkabine, die ich mir mit vier Mitreisenden teile, ist erwartungsgemäß eng, aber immerhin kriege ich meine Sachen gut unter, auch so, dass alles Wesentliche schnell greifbar sein würde. Weitere Kennenlerngespräche gibt es beim überraschend schmackhaften Abendessen (ob das wohl so bleibt?)- dann folgt die erste Nacht in meinem neuen Zuhause.

 

15.1., Beaglekanal und Drakepassage: Habe unruhig geschlafen. Zu viele fremde Geräusche! Um 6.30 Uhr stechen wir bereits in See. Zunächst geleitet uns ein Lotse durch den ruhigen Beaglekanal in Richtung offenes Meer. Aus dem Morgendunst erhebt sich eine hell strahlende Sonne in den östlichen Himmel. Es verspricht ein herrlicher Tag zu werden.

Aufbruch am frühen Morgen

Kletterpartie

Begegnung mit der Gorch Fock

Während der Kanaldurchfahrt werden wir mit den Abläufen an Bord vertraut gemacht. Schließlich ist diese Reise so ausgelegt, dass wir nicht nur passive Passagiere sein würden, sondern durchaus die Mannschaft bei einigen Aufgaben unterstützen sollten. Und somit ein bisschen das Gefühl bekämen, Teil der Crew zu sein. Die Aufgaben bestehen hauptsächlich aus Wachehalten, Mithilfe beim Segelsetzen und Beteiligung an der Bootssteuerung. Die Passagiere werden in drei Gruppen eingeteilt, die nach den Farben der niederländischen Flagge benannt werden: "Blue", "White" und "Red". Diese Teams sollen rund um die Uhr jeweils in Vier-Stunden-Schichten ihre Tätigkeiten verrichten. Letztlich ist die Teilnahme an den Diensten natürlich freiwillig- schließlich haben wir für die Reise bezahlt und wurden nicht angeheuert- aber sie ist so ziemlich für jeden selbstverständlich [Ausnahmen gibt es ja bekanntlich immer].    

Zum Segelsetzen gehört auch die Fähigkeit, in die Takelage zu klettern, was wir vernünftigerweise ein bisschen trainieren, solange wir noch durch ruhige Gewässser schippern. Das lasse ich mir natürlich nicht entgehen. Allerdings ist das Klettern am Überhang [die Leiter ist dabei in Richtung des Kletterers geneigt] etwas gewöhnungsbedürftig, vor allem, wenn man dort den Sicherungshaken an einer Hand hängend lösen und weiter oben neu einklinken muss. An der Spitze angekommen, erwartet einen allerdings eine atemberaubende Aussicht auf das Schiff und die Umgebung. Und wie der Zufall es will, kaum bin ich oben angelangt, kommt uns die berühmte "Gorch Fock" unter lautem Begrüßungs-Getute entgegen. Was für ein großartiger Moment!- Wieder unten auf Deck werde ich natürlich als erstes gefragt, ob ich nicht auch von dem tödlichen Sturz aus der Takelage des Segelschulschiffs gehört hätte...

Um 14.00 Uhr beginnt meine erste Wach-Schicht, sie endet just dann, wenn wir die offene See und damit die Drakepassage erreichen. Die See wird merklich rauer, etwas später tauchen wir unversehens in ein Nebelfeld ein. Erste Albatrosse umkreisen das Schiff. Die Überfahrt in die Antarktis hat begonnen.

 

16.1., Drakepassage: Die nächste Wache startet bereits um 0 Uhr ("Hundewache"). Glücklicherweise bin ich in meiner Schicht ("Team Red!") mit einem Trupp ausgesprochen netter und belastbarer Mitpassagiere zusammen. Vier Stunden könnten sonst echt lang werden! Der Seegang macht mir bislang kaum zu schaffen. Muss allerdings aufpassen, meine Unbekümmertheit nicht allzu sehr herauszustellen - es scheint, dass meine gute Laune dem ein oder anderen, dessen Magen mit dem Geschaukel nicht so gut zurecht kommt, übel aufstößt...  

   

Auf hoher See

 

Albatrosse- Ständige Wegbegleiter

Am Morgen bieten unsere wissenschaftlichen Begleiter einen Vortrag an, der sich mit der See-Vogelwelt beschäftigt, die uns während der kommenden Tage umgeben wird. Sturmschwalben, Albtrosse, Kormorane,  Riesensturmvögel- eine Pflichtveranstaltung für den frisch gebackenen Field Guide! 

Am Mittag dann doch ein kurzer Anfall von Seekrankheit. Hätte die Kartoffelschälgruppe nicht aufsuchen sollen. Der süßsäuerliche Geruch löst eine nicht mehr zu unterdrückende Magen-Eruption  aus. Nach Beseitigung aller Spuren geht es mir aber wieder blendend.

Weitere Wachen von 14.00 - 16.00 Uhr und von 20.00 - 24.00 Uhr.

 

17.1., Drakepassage: Habe endlich ausreichend geschlafen. Der Seegang macht mir auf jeden Fall nichts mehr aus, nur das ewige Geschaukel bei sämtlichen Verrichtungen nervt auf Dauer ziemlich. Mein Mitgefühl gilt all jenen, denen die Situation deutlich mehr zusetzt als mir. Die Allermeisten schlagen sich dennoch tapfer, und versuchen trotz Seekrankheit ihre Pflichten während der Wachdienste so gut wie möglich zu erfüllen. Respekt dafür!

Um 8.00 Uhr erneuter Wachdienst meinerseits. Mittlerweile kühlt es sich empfindlich ab, was u.a. damit zusammenhängt, dass wir die sogenannte "Antarktische Konvergenz" überschritten haben und damit in antarktische Gewässer eintauchen. Die Wassertemperatur beträgt nur noch tödliche 2,8° C - Tendenz sinkend.

   

Mit der Europa gen Antarctica

 

Ein wenig Seefahrerromantik

Verabschiede mich diesmal etwas früher von der Wache, da um 10.00 ein Film über Shackleton und seine Antarktisexpeditionen gezeigt wird, was mich sehr interessiert. Leider nicke ich während der Vorführung ein. Am Nachmittag dann ein weiterer Vortrag über die größten Tiere der Welt. Es gibt viele interessante Informationen über Blau-, Finn-, Buckel-, Glatt- und Pottwale, Orcas sowie Delfine. Aber werden wir auch wirklich einige dieser Meeresriesen zu sehen bekommen?

Es laufen Wetten, wann der erste Eisberg gesichtet wird. Der Preis: Ein Glas Whiskey mit echtem Gletschereis.

Nächste Wache von 16.00- 20.00 Uhr.


18.1., Drakepassage: Wache von 4.00 - 8.00 Uhr. Noch 120 Meilen bis zu unserer ersten Anlandung auf den Südshetlandinseln! Jedoch kein Eisberg in Sicht. Wir können aber schon mal unsere Kleidung landgangtauglich machen. Dazu stehen Staubsauger bereit - kein Same der nördlichen Welt soll aus einer Textil-Falte auf polaren Boden fallen. Das ist nur eine der vielen Regeln zum Schutz der antarktischen Natur, auf die sich die Menschheit geeinigt hat [im sog. IAATO-Protokoll].

Nächste Wachschicht zwischen 14.00- 16.00 Uhr. Danach ein Vortrag über Pinguine. Eine Vogelfamilie, auf die ich mich ganz besonders freue! 

Erneute Wache zwischen 14.00 - 16.00 Uhr.

 

19.1., Drakepassage, Aitcho Islands: Wieder mal Hundewache. Es ist wirklich kalt an Deck. Das Thermometer misst in der Luft knapp 4°C, die Temperatur des umgebenden Wassers liegt bei etwa 1°C. Bin froh, dass meine neu erstandene "Expeditionskleidung" hält, was sie verspricht. Haben uns in der Gruppe darauf verständigt, dass nicht ständig alle auf Deck sein müssen. Gute Idee. Und überhaupt: Ein Hoch auf meine Truppe- "Team Red!"

Auf dem Radar sind die Umrisse der Südshetlandinseln schon deutlich zu erkennen; am Horizont zeichnen sich schemenhaft dunkle Erhebungen ab. Um 4.10 wird der erste Eisberg gesichtet. Als ich nach fünf Stunden Schlaf erfrischt zum Frühstück aufstehe, ist die Inselwelt zum Greifen nah. Nach drei Tagen auf hoher See umgibt uns plötzlich eine grauweiß-blaue Gletscherlandschaft. Immer wieder tauchen kleine Gruppen jagender Pinguine aus dem Wasser. Ein Schauspiel, von dem ich kaum genug kriegen kann. Das Ganze hat etwas Unwirkliches.

Der erste Expeditionsausflug steht nun an. Große Aufregung - alle Anstrengungen der vergangenen Tage sind vergessen, und auch der letzte Seekranke ist plötzlich genesen.

   

Iceberg ahead!

 

Der erste Kontakt

In der Discovery Bay besteigen wir zum ersten Mal die "Zodiacs", spezielle antarktistaugliche Schlauchboote, und erkunden die Bucht. Ein unbeschreibliches Gefühl, sich auf diese Weise den bizarren Eiskanten der Gletscher zu nähern (einer meiner Mitpassagiere ist sogar so geistesgegenwärtig, den Abbruch eines größeren Stückes zu filmen), oder durch Flächen voller abgesplittertem Eis an urweltlichen Basaltfelsen vorbei zu rauschen. Und immer wieder Pinguine! Sogar einen ersten kurzen Landgang wagen wir. Beim Ausstieg ins knöcheltiefe Eiswasser begreife ich, wozu wir eigentlich Gummistiefel dabei haben sollten. Glücklicherweise sind meine Wanderstiefel in dieser Situation ausreichend wasserdicht. Beim nächsten Mal werde ich aber Gumboots anhaben!

   

Mit dem Zodiac in die Gletscherwelt

 

"I got that on film!" (von Robert Brands)

Nachmittags fahren wir ein Stück weiter, um einen längeren Landgang auf Barrientos Island (gehört ebenfalls zum Aitcho Archipel) zu unternehmen. Der Ausflug wird ein unvergessliches Erlebnis. Schon kurz nach der Anlandung sehen wir uns einer Kolonie Eselspinguin gegenüber und können ausgiebig das Verhalten dieser eigenartigen Wesen beobachten. Umgekehrt scheinen sie sich nicht sehr an uns zu stören- warum auch, haben sie offenbar noch nie schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht! Die festgeschriebenen IAATO-Verhaltensregeln für das Naturreservat Antarktis scheinen  von bisherigen Besuchern tatsächlich beachtet worden zu sein (Abstand zu Tieren halten/ Nicht füttern/ Nicht anfassen etc.). Vermutlich macht sich aber auch die relativ geringe Touristenzahl in diesem Teil der Welt bemerkbar.

   

In der Pinguinkolonie

 

Frackträger mit weißen Schürzen

Kaum können wir uns von den putzigen Frackträgern lösen. Doch erwartet uns noch eine längere Wanderung durch Felsenlandschaften, die aus einer anderen Welt zu stammen scheinen. Bizarre Steinformationen ragen aus dem Boden empor, das Ganze lässt mich mehr als einmal an längst vergangene Erdzeitalter denken. Nirgends ein Baum, ein Busch oder auch nur Gras; das einzige Grün stammt von Flechten und Moosen. Und dennoch ist diese Einöde voller Leben! Neben den allgegenwärtigen schwarzweißen Sympathieträgern fallen vor allem die Skuas auf, große Raubmöwen, die wie schwere B52-Bomber über den Pinguinkolonien kreisen, immer auf der Suche nach leichter Beute, einem Jungtier etwa oder einem unbeschützten Ei. Nicht weniger räuberisch, allerdings harmloser aussehend, sind die Scheidenschnäbel, blütenweiß gefiederte Regenpfeifervögel, die beutesuchend zwischen den steinernen Pinguinnestern umhertappen. Außerdem begegnen uns auf unserem Streifzug bereits die ersten Angehörigen der Robbenfamilie, zunächst in Gestalt einer Gruppe schmutzigbrauner Seeelefanten, die aus der Ferne wie bemooste Steine aussehen. Kurz darauf gibt sich auch noch eine Pelzrobbe ein Stelldichein und scheint es geradezu zu genießen, vor unseren Kameras zu posieren. An die Existenz weiterer Tiere erinnert der halbverweste Kadaver einer Krabbenfresserrobbe, sowie ein Haufen Walknochen, der verstreut am Strand liegt.

   

In einem Land vor unserer Zeit

 

Lebende Steine

Was für ein Ausflug! Was für eine bizarre Natur! Nur die Technik spielt an dem Tag nicht ganz mit: Zunächst macht meine Kamera Probleme (die Batterien...), so dass mir einige Schnappschüsse entgehen, dann streikt auch noch der Motor des Zodiaks, das mich nach vier Stunden zurück zum Schiff bringen soll, was längeres Ausharren am Strand zur Folge hat. Aber was bedeutet das schon im Vergleich zu den Erlebnissen dieses Tages? 

 

20.1., Livingston Island, Hannah Point: "Whales!" - "Wale!"-  dieser Ruf erklingt mehr als einmal während der Fahrt nach Livingston Island. Und tatsächlich: In nicht allzu großer Ferne tauchen plötzlich riesige Buckel aus dem Wasser, manchmal auch eine gewaltige Fluke, um im nächsten Moment wieder in den kalten Fluten abzutauchen. In atemloser Stille verfolgen wir, wie ein Buckelwal mit seinem Kalb an uns vorbeizieht. 

   

"Whales!"

 

Abgetaucht

Später am Morgen gibt es wieder einen Vortrag, diesmal über Robben. Soll keiner sagen, wir würden unvorbereitet unsere Exkursionen antreten! Nachmittags ist es dann soweit: Der nächste Landgang steht bevor, diesmal in der Walker Bay, Nähe Hannah Point.

Auch hier sehen wir uns großen Frackträger-Kolonien gegenüber, diesmal mit Zügelpinguinen. Die Tiere lassen sich vollkommen ungeniert bei allen möglichen Tätigkeiten beobachten: beim Füttern, beim Verdauen, bei wilden Verfolgungsjagden quer über den Abhang, beim Steinchenraub für den Nestbau oder bei der Paarung.  

   

Zügellose Zügelpinguine

 

Ein Goldschopf

Als Besonderheit entdecken wir einen Goldschopfpinguin, der als einziger seiner Art in einer kleinen Gruppe Zügelpinguine steht. Außerdem stoßen wir auf Weddel-, Krabbenfresser- und Pelzrobben sowie große Haufen von Seeelefanten, die wie riesige rülpsende Steine in der Gegend herumliegen. Dominikanermöwen und Skuas brüten in den Felsen; der Boden ist bedeckt mit Flechten und Moosen. Man könnte meinen, der Antarktistrip wäre eine einzige große Natur-Safari! 

   

Bitte nicht stören!

 

Rülpsende Steine

Auf unserem Expeditionsspaziergang besuchen wir auch ein Lager von Geologen und Paläozoologen, die das Schwemmland der Gletscher nach Pflanzen-Fossilien absuchen. Offensichtlich haben sie schon einige sehr aufschlussreiche Stücke gefunden, die auf einem kleinen Podest zur Schau gestellt werden. Deutlich lassen sich inkohlisierte Pflanzenreste und Abdrücke von Farnen erkennen. Der Beweis, dass die Antarktis vor langer Zeit eine ganz andere geografische Position einnahm als heute, mit dementsprechend anderen klimatischen Bedingungen! Einst streiften hier riesige Dinosaurier durch urzeitliche Wälder. Der Kontinent ist erst seit etwa 15 Mio. Jahren mit Eis bedeckt. 

   

Fossile Beweise für die Plattentektonik

 

Stillleben mit Pelzrobbe

 

21.1., Deception Island: Ein Höhepunkt jagt den nächsten, heute soll es nach Deception Island gehen, einen riesigen, halb im Meer versunkenden Vulkankrater, in den wir hineinfahren, um an verschiedenen Stellen anzulanden. Tatsächlich ist der Vulkan noch aktiv, die letzten Ausbrüche fanden vor rund vierzig Jahren statt.  

Aufstieg zum Kraterrand

Wir ankern zunächst in der Telephon Bay [der Name stammt von einem englischen Kohlefrachter], wo wir den Kraterrand besteigen, um die von Feuer und Eis gestaltete Landschaft in ihrer Gesamtheit überblicken zu können. Der Untergrund besteht aus Lavagestein und Moränengeröll, im Eis der Gletscher lassen sich deutlich mehrere Asche- Schichtungen erkennen, die von den vergangenen Ausbrüchen zeugen.

Nachmittags steht eine ungewöhnliche Antarktis-Aktivität auf dem Programm: Wir gehen baden. Am Strand der kleinen Bucht von Pendulum Cove treten heiße Quellen zutage, so dass man sich dort mit einfachen Mitteln Planschkuhlen graben kann, die, bei der richtigen Mischung von heißem Quell- und kaltem Meereswasser, unerwartete Badefreuden versprechen.

   

 Badespaß

 

In Vulkanasche versunken

Abends landen wir noch in Whalers Bay an. Zunächst wandern wir zu "Neptuns Fenster", einem Durchbruch im Kraterwall mit Blick aufs antarktische Meer. Dann besuchen wir die verfallene Walfangstation, die der Bucht ihren Namen gab. Bis 1931 war dieser Teil des Vulkans Standort der südlichsten Trankocherei der Welt. Während des Zweiten Weltkriegs rüsteten Briten die Gebäude zu einer Militär- bzw. Forschungs-Station um. Gemäß den Informationstafeln geschah dies in Zusammenhang mit einer Militäroperation namens "Tabarin", von der ich allerdings noch nie etwas gehört habe. Die Station musste 1969 nach einem Vulkanausbruch endgültig verlassen werden. Heute erinnern die verwüsteten Gebäude nur noch an die unbezähmbaren Kräfte der Natur.   

 

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Mit 40... hat man noch Träume | klio@nexgo.de