Chronik eines Sabbatjahres

22.1., Trinity Island: Eigentlich ist eine Zodiac-Exkursion entlang der Küste von Trinity Island geplant. Das Wetter spielt aber nicht mit, bereits am Morgen zieht Sturm auf, so dass sich das Verlassen des Schiffes nicht empfiehlt. Am Abend messen wir Windstärke 9 (etwa 83 km/h). Hoffentlich hält die Ankerkette! 

   

Eine Eisskulptur

 

Bei der "Dungeon"- Tour

Immerhin schwimmen einige bemerkenswert geformte Eisberge vorbei. Außerdem wird am Morgen ein Vortrag über die Bedeutung der Antarktis als Ort für astronomisch- physikalische Experimente gehalten, was ja nicht uninteressant ist. Nachmittags gibt es noch eine  "Dungeon"- Tour durch die verborgenen Innenräume des Schiffs (Maschinenraum, Vorratskammern, Wassertanks etc.). Jetzt weiß ich also, wo die Kartoffeln lagern, wieviel Diesel die Generatoren insgesamt während der Fahrt verbrauchen (12.000 l, also pro Passagier 307.7 l, was 1.126t CO2 pro Passagier entspricht), und was mit den Abwassern und dem Müll passiert (wird zunächst biologisch im "black water tank" abgebaut, dann 3 km vor der Küste verklappt). Soll keiner sagen, wir würden nicht über alles aufgeklärt!

 

23.1., Wilhelmina Bay, Danco und Cuverville Island: Auch am Morgen dieses Tages sind wir von Eisbergen umgeben. Wenigstens hat sich der Sturm weitestgehend beruhigt, der Himmel wird aber nach wie vor von einer dicken Wolkenschicht verdüstert. Zunächst fahren wir durch den Graham- Kanal nach Wilhelmina Bay, wo bei Guvernøren Cove ein Schiffswrack gespenstisch aus dem Wasser ragt. Das scheint allerdings nicht nur uns zu interessieren- wir treffen auf weitere Segler, die sich ebenfalls in die antarktischen Gewässer gewagt haben. 

   

Europa im Schnee

 

Twilight Zone

Wieder setzt Schneefall ein. Die Welt wird in ein wattiges Zwielicht gehüllt. In dieser Atmosphäre landen wir nachmittags auf Danco Island. Erneut erkunden wir Pinguinkolonien, diesmal im Schnee. Unbeschreiblich, wie sich die Tiere durch die eisige Masse kämpfen, um zu den höher gelegenen Brutfelsen zu gelangen. Die weiße Fläche ist von ausgetretenen Bahnen,"Pinguin-Highways" genannt, geradezu durchsetzt.

   

Brüten in sicherer Höhe

 

Pinguine "on the road"

Nach der Rückkehr aus der Kälte gibt es erstmal Glühwein. Sehr gute Idee! Später besteigen wir eine Anhöhe auf Cuverville Island. Nur trübe von der Sonne beleuchtet, folgen wir den frischen Fußstapfen des Expeditionsleiters. Die Welt versinkt in einem trüben Grauweiß; sobald das Schiff auf dem Wasser außer Sicht gerät, wird es schwierig, die Orientierung zu wahren. Ich bekomme eine Ahnung, wie es den Antarktispionieren vor über 100 Jahren auf ihren Wanderungen ergangen sein muss. Meine Achtung vor deren Leistungen steigt enorm.

Endlich ist die Anhöhe erklommen; uns eröffnet sich ein grandioser Rundblick über eine trübweiße Halbschatten-Welt. Gegenüber soll also das Festland sein, aha. Vor lauter Ergriffenheit verliere ich einen Handschuh, der von dem starken Wind sofort weggeblasen wird. Glücklicherweise widerstehe ich der Versuchung, ihm hinterherzujagen, denn schon nach wenigen Metern fällt der Hang jäh ab, was von oben kaum zu erkennen war. Das mit dem verlorenen Handschuh ist natürlich ärgerlich, aber besser als ein antarktischer Absturz; außerdem habe ich ja noch ein zweites Paar auf dem Schiff.

Den Rückweg legen wir teilweise auf dem Rücken rutschend zurück, was einen Riesenspaß bedeutet. An Bord gibt es wieder herrlich wärmenden Glühwein.   

 

24.1., Gonzalez- Videla Station, Neko Harbour (Festland), Paradise Harbor: Nach einer ruhigen Nacht steuern wir am Morgen die chilenische Gonzalez-Videla Station an. Auf dem Weg dorthin kreuzt ein gewaltiger Eisberg unsere Bahn. Still umrunden wir den weißblauen Giganten, der an Pablo Nerudas "Weiße Kathedralen" denken lässt. Ist es nicht fantastisch, welche Formen die Natur hervorbringt!?

Kathedrale aus Eis

Die Gonzalez- Videla Station ist offiziell eine Beobachtungs- und Forschungsstation. Die Hauptattraktion sind sicherlich die dort lebenden weißen Eselspinguine [eine sogenannte leuzistische Mutation].

   

Gonzalez Videla- eine "Forschungsstation"?

 

Der Moby Dick unter den Pinguinen

Jedoch ist schon bei der Begrüßung der militärische Drill der Besatzungsmannschaft deutlich zu spüren. Nein, hier weht kein freier Forschungsgeist. Die Vermutung drängt sich auf, dass es bei dieser Station eigentlich um etwas ganz anderes geht. Nämlich darum, dass Chile ein Zeichen für seine Gebiets-Ansprüche setzen will [offiziell, gemäß dem 1961 beschlossenen Antarktisvertrag, ist der Kontinent zwar "Niemandsland", das von keiner Nation wirtschaftlich oder militärisch genutzt werden sollte. Es stellt sich aber die Frage, wie lange noch diese Vereinbarung in Zeiten zunehmender Rohstoffverknappung Beachtung finden wird- und damit, bis wann das Naturparadies Antarktis in der jetzigen Form erhalten bleibt...].

 

Nachmittag landen wir bei Neko Harbour an- und betreten damit erstmalig Festland! Ein ganz besonderer Moment, den sogar das Wetter zu würdigen weiß: Zum ersten Mal haben wir einen hellen, nur leicht bewölkten Himmel, und die Welt erstrahlt in den freundlichsten Blau-Weiß- Tönen! Was für ein Unterschied zum gestrigen Tag! 

   

Landung bei Neko Harbor

 

Weddellrobben beim Sonnenbad

Bei der Besteigung einer verschneiten Anhöhe schmerzen mir die Augen, so stark wird das Sonnenlicht von den weißen Flächen reflektiert. Auf diese Weise kommt also die vielbeschriebene Schneeblindheit zustande! Zum Glück dauert der Anstieg nicht zu lange, und ich gelange mit einer Gruppe Mitreisender auf ein Felsenplateau, wo wir uns für eine Weile niederlassen. Stille breitet sich aus. Zu unseren Füßen, überflutet von strahlendem Sonnenschein, liegt eine fantastische Welt. In der Ferne treibt unser Schiff ruhig im Meer, klein wie ein Spielzeugboot. Verloren schwimmen einige Eisberge drum herum. Bei genauerem Hinsehen sind dazwischen immer wieder kleine schwarze Buckel zu erkennen, die aus dem Wasser auftauchen. Eine Herde Minkwale sucht offenbar nach etwas Fressbaren. Plötzlich dringt von der Seite ein dumpfes Grollen ans Ohr, das in ein Donnern übergeht: An der gegenüberliegenden Felswand geht gerade eine Lawine ab. Und dann wieder Stille. Nur das Knacken der Gletscher ist von Zeit zu Zeit noch hörbar.

Ich kann nicht sagen, wie lange wir diese Welt jenseits der Zeit betrachten. Doch irgendwann müssen wir uns von dem Anblick lösen, und es geht zurück zum Schiff. Auch diesmal nutze ich die Gelegenheit für eine kleine Rutschpartie. Wa-hoo!

Am Abend ankern wir vor Paradise Harbor. Im blauen Dämmerlicht der tiefstehenden Sonne erkunden wir mit den Zodiacs die dortige Gletscherwelt. Die See ist spiegelglatt, kein Lufthauch kräuselt die Wasserfläche. Je später es wird, desto mehr erstrahlen die gezackten Eiswände in einem geradezu überirdischen Blau. Faszinierend, und gleichzeitig unmenschlich kühl. Eine bizarre Welt, in der ich Gast sein darf- doch nicht zu lange, da sonst die Kälte alles Leben aus meinem Körper saugen würde.

   

Mit dem Zodiac in eine blaue Welt

 

Spiegelglatte See

Der heutige Tag ist sicherlich einer der unvergesslichen Höhepunkte der Reise.

 

25.1., Lemaire Chanel und Vernadsky station Wir setzen unsere Fahrt mit der Durchquerung des Lemaire-Kanals fort, angeblich eine der schönsten Schiffspassagen der Welt. Zwar bin ich noch nicht durch sehr viele Schiffspassagen gesegelt, aber ich muss sagen, dass es  sich hierbei auf jeden Fall um eine verdammt schöne Passage handelt... 

Am Anfang eines Tages

   

Aus der Takelage gesehen

 

Robben robben übers Eis

Um den Genuss noch zu steigern, beschließe ich die Durchfahrt aus der Takelage heraus zu erleben. Zwar ein etwas kühles, aber sehr lohnendes Unterfangen. Und so beobachte ich in luftiger Höhe, wie wir zwischen den erhabenen Felswänden des Naturkanals dahingleiten, und immer wieder kleineren und größeren Eisbergen begegnen, die von Krabbenfresser- und Weddellrobben besiedelt werden. Sogar ein Seeleopard ist darunter, wie ein Mitpassagier bei der späteren Analyse seiner Fotos feststellt.

 

65,15° südlicher Breite

Nachmittags erreichen wir den südlichsten Punkt unserer Reise, die ukrainische Vernadsky Station. Bevor wir sie aufsuchen, um den legendären selbstgebrannten Wodka zu probieren, machen wir noch einen Abstecher zu "Wordie House", einem kleinen, verlassenen Stationshaus der Briten, das heutzutage als Museum dient.

In der Vernadsky Station werden wir überaus herzlich empfangen; es folgt eine Führung durch die Einrichtung, wo unter anderem die Erd-Atmosphäre und das Magnetfeld untersucht werden. Was für ein Unterschied zu der Stimmung auf der chilenischen Station! Den unbestreitbaren Höhepunkt stellt der Besuch der Bar dar, wo für wenige Dollar der (gut trinkbare!) selbstgebrannte Vernadsky- Wodka ausgeschenkt wird. Der weitere Nachmittag verläuft sehr lustig, irgendwie gelingt es mir sogar noch eine Postkarte nach Deutschland zu schreiben (ob sie jemals ankommt?), und Billard zu spielen. Das ganze endet mit der kurzfristigen Kaperung eines russischen Zodiacs, was allerdings unser Schiffsmaat, als er dies entdeckt, nicht ganz so witzig findet ("I´m not amused"). - Für die Gastfreundschaft der Ukrainer revanchiert sich die Mannschaft der Europa mit einem ausgesprochen gelungenen Barbecue an Deck. Mitten in der Antarktis, unweit des Polarkreises. Ein angemessener Abschluss der südlichsten Etappe unserer Reise. 

 

Point of return

 

26.1., Petermann Inseln: Nun segeln wir bereits wieder gen Norden und besuchen die Petermann Inseln, wo wir noch einmal auf Pinguinkolonien stoßen. Diesmal handelt es sich um Adélies, eine Art, die eher im Süden der antarktischen Halbinsel anzutreffen ist. Mit den schwarzen Köpfen und den weißen Augenumrandungen unterscheiden sich diese Pinguine deutlich von allen vorher gesehenen.

   

Adélies

 

Orcas

Am späteren Tag segeln wir erneut durch den Lemaire Kanal, Richtung Port Lockroy. Auf dem Weg wartet eine neue Überraschung auf uns: Eine Gruppe Orcas ("Killerwale") zieht unweit des Schiffes vorbei. Mit großer Spannung verfolgt fast die gesamte Schiffsbesatzung dieses Schauspiel.  

 

27.1., Port Lockry, Jougla Point: Was hat es bloß mit der "Operation Tabarin" auf sich? Schon wieder taucht dieser Name auf, diesmal bei der Besichtigung der britischen Station Port Lockroy. Eine zufriedenstellende Erklärung kann mir aber auch unsere Stations-Führerin, ein Mitglied der rein weiblichen, vierköpfigen Besatzungsmannschaft, nicht geben. Sehr mysteriös!

Auf der Station befinden sich ein kleines Museum, eine Funkstation, Messgeräte- und die südlichste Poststation der Welt, was von den meisten Passagieren eifrig genutzt wird. Unter den Ausstellungsstücken gibt es neben den erwähnten geheimnisvollen Hinweisen interessante Dinge wie z.B. antarktische Rezeptbücher zu entdecken. "Gratiniertes Robbenhirn" oder "Gebackenes Pinguinbrüstchen in der Casserole", das sind nur zwei der Leckereien, deren Zubereitung man dort nachlesen kann. In Extremsituationen isst der Mensch offenbar alles, was er kriegen kann.

   

Bei den Britinnen

 

Größenvergleich

Am Nachmittag setzen wir über zu Jougla Point, der Spitze einer felsigen Landzunge. Dort erwartet uns als größte Attraktion ein riesiges Walskelett. Angeblich sollen die Knochen schon seit Jahren am Strand liegen. Unbeeindruckt davon, nisten überall drum herum Pinguine und Blauaugenkormorane.

Der Tag endet wieder mal mit einer kleinen Überraschung. Lucy, unser französisches Besatzungsmitglied, zaubert an Deck Crêpes für alle. Auch die vier Britinnen sind eingeladen - und scheinen sich mit unseren männlichen Besatzungsmitgliedern prächtig zu amüsieren.

 

28.1., Dorian Bay, Neumayr/ Gerlachestraße: Heute steht bereits unser letzter Landgang auf dem Programm. Noch einmal können wir große, von Skuas umschwärmte Pinguinkolonien beobachten; noch einmal wird eine Gletscherwanderung durchgeführt, die in eine spektakuläre Rutschpartie mündet. Die Exkursion endet mit einer Schneeballschlacht (Holland gegen Deutschland); einige der jüngeren Passagiere bauen außerdem einen großen Schneemann, der ins obligatorische Abschluss-Gruppenbild integriert wird.

   

Die letzte Gletscherwanderung

 

Schnee-Treiben

Auf dem Rückweg zum Zodiac werde ich noch Zeuge eines spannenden Naturschauspiels: Ein offensichtlich erregter Eselspinguin attackiert immer wieder zwei gewaltige Raubmöwen. Ein Grund für dieses aggressive Verhalten ist nicht zu erkennen. Weder schützenswerte Pinguinnester noch Jungtiere sind in der Nähe. Am Ende des Kampfes trottet der tapfere Kerl zielstrebig zu uns Zuschauern, als wolle er sich eine Belohnung abholen. Merkwürdiger kleiner Vogel...

Aggro Pingo

Später durchqueren wir mit der Europa die Neumayr- und die Gerlachestraße. Auf dem Weg müssen wir ein größeres Eisschollenfeld passieren. Ein seltsames Gefühl, wenn der Bug sich seinen Weg durch die laut knackenden weißen Brocken bahnt. Die Atmosphäre an Bord ist etwas angespannt. 

Crushed Ice

Zum Nachmittag wird ein Vortrag über das Leben und Sterben von Sternen angeboten, ein Thema, was zwar wenig mit unserer Reise zu tun hat, aber trotzdem auf einiges Interesse stößt. Na ja, wenn man schon einen studierten Astrophysiker mit an Bord hat....

 

29.1., Melchior Island, Drake Passages: An unserem letzten Expeditionstag scheint sogar das Wetter trübe gestimmt. Zwar sind wir von der fabelhaften Gletscherwelt der Melchior Islands umgeben, doch leider in einer recht verregneten Atmosphäre. Der Zodiacausflug gerät dadurch zu einem nasskalten Vergnügen. Immerhin zeigen sich mehrere Gruppen von Pelzrobben in recht eindrucksvollen Posen. Am Ende der Tour bin ich allerdings froh, mich  wieder an Bord aufwärmen zu können.

   

Abschlussgeheul

 

Farewell, Antarctica

Später am Vormittag gibt es einen weiteren Vortrag, diesmal über Forschungsprojekte mit Buckelwalen. Besonders erstaunlich finde ich, dass diese Tiere ihre Nahrung (Krill) mit Hilfe von "Käfigen" aus Luftblasen zusammentreiben. Auch das Wanderverhalten und die Möglichkeit, einzelne Tiere anhand ihrer Fluken zu identifizieren, verdienen Beachtung.

Nachmittags steuern wir bereits wieder in die Drakepassage - die Rückfahrt beginnt. Eine leichte Wehmut macht sich breit. Jetzt, nachdem die Höhepunkte der Reise hinter mir liegen, verspüre ich wenig Lust, mich erneut dem Geschaukel auf hoher See auszusetzen. Andererseits bin ich natürlich gespannt, wie es sein wird, das legendäre Kap Hoorn zu umschiffen. Diese Etappe sollte nämlich noch auf unserem Rückweg liegen, der weiter westlich als die Route der Hinfahrt verläuft. Allerdings ist die Umsegelung des Kaps abhängig von den Winden - sollten diese ungünstig stehen, würde der Programmpunkt gekippt werden.

Irgendwie freue ich mich auf den Anblick grüner Natur. Und darauf, wieder Raum für mich alleine zu haben. 

Mit der Rückfahrt werden die Schichtdienste erneut eingeteilt [die Verpflichtungen wurden für uns Passagiere während des Antarktisaufenthalts ausgesetzt, damit wir der Umgebung unsere ungeteilte Aufmerksamkeit schenken konnten], und fast alle machen tapfer mit [Nach wie vor gilt: Ausnahmen  bestätigen die Regel]. Von zwei bis vier Uhr ist mein "Team Red" an der Reihe. Die ersten höheren Wellen schlagen an die Bordwand. Das Leben in Schräglage hat uns wieder.

 

30.1., Drake Passage: Nächste Wachen von 2-4, 12-14 und 22-24 Uhr. Ansonsten nur nerviges Ausbalancieren der Schrägen. Zwischendurch Schlafen und Lesen. Rummikub oder Kartenspielen kann ich trotz wohlmeinender Überzeugungsversuche nur wenig abgewinnen. Vor allem, wenn Spieler mit jahrelanger Erfahrung probieren, einem durch gut gemeinte Tipps zum Sieg zu verhelfen, macht es keinen Spaß mehr. Ein Erfolg, der nicht auf eigenen Leistungen beruht, ist wertlos.- Gewinnbringend ist allerdings der Vortrag über die antarktische Eroberungs- bzw. Forschungsgeschichte.

Leben in Schräglage

  

31.1., Drake Passage: Wachen von 8-10 und 18 - 20 Uhr. Ziemlicher Seegang. Am Morgen lassen sich ein paar Stundenglas-Delfine blicken. Ansonsten gibt es einen netten Vortrag über Gletscher und Eisberge - allerdings verlassen wir deren Territorium ja gerade... Das Referat schließt Anmerkungen zum Klimawandel ein. Dieses Reizthema wird aber nur angerissen- will man etwa Diskussionen aus dem Weg gehen?

 

1.2., Drake Passage, Kap Hoorn: Noch 80 Seemeilen bis Kap Hoorn. Wache von 6-8 und von 14-16 Uhr. Der Seegang ist so stark, dass wir uns an Seilen anschnallen müssen. Sturmvögel umkreisen ständig unser Schiff.  

Stürmische Überfahrt

Tagsüber nochmal eine Lesung, diesmal über das Ökosystem Antarktis, mit Querverweisen auf die Arktis. Ein schöner Abschluss der Vortragsreihe.

Ab 14.00 Uhr werden die legendären Felsen von Kap Hoorn schemenhaft am Horizont sichtbar. Tatsächlich - die Winde waren uns hold. Es dauert noch bis zum Abend, ehe wir uns dem Kap in direkter Nähe gegenüber sehen - und es unter voller Besegelung umschiffen. Ein ganz besonderer seefahrerischer Moment, der natürlich fotografisch festgehalten werden muss. 

"Ich war da!" (Kap Hoorn)

 

2.2., Beagle Kanal, Estancia Haberton: Unbeschreiblich! Wieder Grün um mich herum! Seit der Einfahrt in den Beaglekanal kann ich mich kaum an den Bäumen und Büschen am Ufer sattsehen. Hätte nicht geglaubt, dass mir das so viel bedeutet! 

   

Im Grünen

 

Im Marinemuseum

Nachdem wir eine Insel mit riesigen Vogelschwärmen passiert haben, landen wir am späten Vormittag bei der Estancia Haberton, einem historischen Landgut, auf dem sich ein lohnenswertes Marinemuseum befindet. Die Führung durch dieses bedeutet eine sehr gute Ergänzung zu all dem, was wir unterwegs von der antarktischen Meereswelt (Speziell: Wale) gehört und gesehen haben. Der Spaziergang über das Farmland bietet obendrein einige interessante Einblicke in die Siedlungsgeschichte Feuerlands.

Und wie ich es genieße, den Geruch von Gras und Erde einzuatmen! Den Geruch von Leben - und Freiheit.

Am Abend gibt es ein großes Abschluss-Barbecue an Bord des Schiffes. Die besten Schnappschüsse eines Foto-Wettbewerbs zwischen uns Passagieren werden prämiert (Nein- von mir ist heute leider kein Bild dabei...), und wir lassen die Crew noch einmal richtig hochleben. Eine sehr gelungene Expeditionsabschlussparty, die, wie ich glaube, auch der Schiffsmannschaft sehr gefällt.

 

3.2., Beagle Kanal, Ushuaia: Eigentlich müsste es schon am frühen Morgen weitergehen, ein Lotse sollte vorbeikommen und uns dabei helfen, sicher die letzten Meilen zu unserem Zielhafen zurückzulegen. Doch mala pata, wir sind in Südamerika! Offenbar hat uns der argentinische Geleitsmann schlichtweg vergessen- und wir müssen abwarten. Oder wird mal wieder gestreikt? Blöd ist das allemal - eigentlich war es nämlich so gedacht, dass wir bereits am frühen Nachmittag am Hafen von Ushuaia ankämen und ausreichend Zeit hätten, in der Stadt einzukaufen oder ins Schifffahrt-Museum zu gehen. Vor allem letzteres hätte mich sehr interessiert.

Etwas frustriert lasse ich mich zu ein paar Partien Rummikub hinreißen- was tut man nicht alles, um die Wartezeit totzuschlagen...

Am Nachmittag ist es schließlich soweit, der Lotse kommt an Bord und wir schippern gemächlich den Beaglekanal hinauf. Auch an Puerto Williams kommen wir dabei vorbei - die Stadt gehört zu Chile und macht (mit etwas mehr als 300 Einwohnern) dem argentinischen Ushuaia den Rang als "Südlichste Stadt der Welt" streitig. Einer der eher harmlosen Konflikte in Südamerika.  

Ushuaia- endlich...

Um 17.00 Uhr taucht endlich unser Zielhafen vor uns auf. Bis wir das Schiff verankert haben, ist es allerdings ziemlich spät geworden- so bleibt nur noch die Möglichkeit, nach dem Abendessen mit einigen Mitreisenden jenes gemütliche Cafe aufzusuchen, wo ich mich bereits drei Wochen zuvor gestärkt hatte. Dort lassen wir den letzten Abend ausklingen.

 

4.2., Beagle Kanal, Ushuaia: Nach dem Frühstück heißt es Abschied nehmen. Das sicherlich eindrücklichste Abenteuer meines Sabbatjahres ist vorbei. Drei Wochen habe ich mit 54 Menschen auf einem knapp 60m langen Segelschiff gelebt, und mit diesen eines der ungewöhnlichsten Gebiete dieses Planeten besucht. Drei Wochen lang habe ich mit ihnen jeden Tag neue Eindrücke gesammelt, die ich nie mehr vergessen werde. Die wenigsten meiner Weggefährten werde ich wohl jemals wiedersehen.   

Der Rest geht schnell - Rechnungen bezahlen, "Bye-Bye" sagen, auschecken, letzte Einkäufe in Ushuaia erledigen. Später der Flug nach Buenos Aires, wo ich in der Nähe des Flughafens noch eine Übernachtung habe, bevor es am 5. Februar zurück nach Deutschland geht.

Mein Dank gilt allen Menschen, die mich auf dieser Reise geduldig ertragen haben, so wie ich sie in der Enge des Schiffs erdulden musste. In besonderem Maße fühle ich mich natürlich der Crew der Bark Europa verbunden, die uns guten Mutes sicher durch die eisigen Gewässer der Antarktis gesteuert hat. Und natürlich geht ein Dankesgruß an jene Mitreisenden, die zusammen mit mir klaglos ihre Dienste verrichtet haben - ein Hoch auf "Team Red"!  

 

                        

 

 

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